Warum Kinder so wahnsinnig kreativ sind und was wir von ihnen lernen können
Seit längerer Zeit begleite ich Kinder nun als Kreativdozentin – und jedes Mal bin ich aufs Neue fasziniert. Fasziniert von ihrer Offenheit, ihrem Mut, ihrer Vorstellungskraft. Ihre Ideen sind manchmal völlig verrückt, manchmal überraschend tiefgründig – aber immer echt.
Kinder denken (noch) nicht in Schubladen. Sie stellen keine inneren Zensoren auf, die sagen: "Das ist doch albern." oder "So etwas macht man nicht." Nein – sie probieren aus. Sie fragen "Warum nicht?" statt "Geht das überhaupt?" Sie malen fliegende Elefanten, erzählen Geschichten von leuchtenden Bäumen und erfinden ganz nebenbei die ungewöhnlichsten Lösungswege – während wir Erwachsenen oft schon beim ersten Schritt ins Grübeln kommen.
Ich begleite Kinder sowohl in der Grundschule als auch in der Mittelschule auf ihrem kreativen Weg – und dabei fällt mir immer wieder etwas auf: Für Kinder ist „verrückt“ nicht das Gegenteil von „normal“. Beides darf nebeneinander existieren – ganz selbstverständlich. Ein Löffel kann ein Flugzeug sein, ein Kissen eine Burg. In ihrer Welt ist Fantasie Realität – zumindest für einen Moment. Sie erlauben sich, Dinge neu zu denken, zu verdrehen, umzudeuten. Diese Freiheit macht ihre Kreativität so kraftvoll und so bewundernswert.
Doch je älter die Kinder werden, desto öfter beobachte ich: Die Hemmungen nehmen zu. Besonders ab der Mittelschule wird vieles „peinlich“ oder „uncool“. Klar – die Pubertät bringt ihre ganz eigenen Dynamiken mit sich. Aber genau deshalb ist es so wichtig, dass wir Erwachsene – besonders Eltern – Kinder schon in jungen Jahren unterstützen, ihre Kreativität auszuleben und weiterzuentwickeln.
Denn Kreativität bedeutet weit mehr als Malen mit Buntstiften. Die Welt der Farben, Materialien und Ausdrucksformen ist riesig – von Drucktechniken über Collagen bis hin zu experimentellem Arbeiten mit Fundstücken oder Naturmaterialien. Wenn Kinder früh erleben, dass eine Idee im Kopf zu etwas Greifbarem werden kann – dass sie etwas erschaffen können – dann passiert etwas Magisches: Sie entwickeln Selbstvertrauen. Sie lernen, an sich zu glauben. Und sie stärken ganz nebenbei ihre Fähigkeit, Lösungen in jeglichen Situationen zu finden – kreativ, mutig und eigenständig.
Was wir als Erwachsene von Kindern also lernen können? Loslassen. Vertrauen. Scheitern als Teil des Spiels betrachten. Und die Welt immer wieder mit frischen Augen sehen.
Kinder sind nicht nur unsere Zukunft – sie sind auch unsere Lehrmeister im Jetzt.